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Alevitische Gemeinde stellt Strafantrag wegen „Tatort”-Sendung und will Gegendarstellung

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Der Medien-Klassiker Tatort hat mit einer neuen Folge „Wem Ehre gebührt“ vom Sonntag, dem 23.12.2007 die Gemüther der Alevitischen Gemeinde Deutschland (AABF) erregt und die weihnachtliche Glaubensruhe beeinträchtigt. Wie u. a. die Kieler Nachrichten am 27.12.2007 nach einer Meldung der dpa berichteten (S. 14), beanstandete die Gemeinde der Aleviten zentrale Aussagen des Films.Auf den Seiten des NDR heißt es zum Film:

„… Charlotte Lindholm ist im fünften Monat schwanger und schlecht gelaunt, denn sie darf nicht mehr im Außendienst arbeiten. Gegen die offizielle Dienstanweisung ist sie trotzdem als erste am Tatort, als Afife, eine junge Deutschtürkin, tot von ihrem Mann Erdal aufgefunden wird. Alles deutet auf Selbstmord. Doch wenig später behauptet Afifes Schwester Selda, dass Afife ermordet worden sei. Sie befürchtet auch, in Gefahr zu geraten, wenn herauskommen sollte, dass sie schwanger ist. Wer der Vater ist, verrät sie nicht.“ […]

„Charlotte beobachtet hingegen irritiert, dass Selda ein sehr enges Verhältnis zu ihrem Schwager Erdal hat. Charlotte betrachtet Selda plötzlich mit anderen Augen. Ist Erdal vielleicht der Vater von Seldas Kind? Haben die beiden Afife umgebracht, um ihre Liebe leben zu können? Selda ist schockiert, als Charlotte sie mit dieser Hypothese konfrontiert.Verzweifelt verlässt sie die Wohnung von Charlotte und Martin.“

Der AABF, eine Glaubensrichtung des Islam, kritisiert laut Medienberichten an dieser Tatort-Folge und der Darstellung, dass der filmische Inzest-Fall sich die jahrhunderte langen Vorwürfe über Inzest bei den Aleviten zu Eigen mache. Laut Meldung soll der AABF-Generalsekretär hierzu erklärt haben, eine Berliner Gemeinde habe Strafanzeige wegen Volksverhetzung gestellt und man verlange eine Entschuldigung und eine Gegendarstellung.

In einem Interview mit der Autorin des Drehbuchs auf den Seiten des NDR zu der Frage,

„Kann der Todesfall Afife so nur im deutsch-türkischen Umfeld geschehen?“

äußert die Autorin und Regisseurin Angelina Maccarone

„Nein. Mir ist es wichtig, dass dieser Fall in jeder Familie passieren kann. Das türkisch-deutsche Milieu weckt beim Zuschauer, aber auch bei Charlotte Lindholm,bestimmte Erwartungshaltungen. Ich setze bei diesen Erwartungen an, um Lindholm einige Male in die Irre laufen zu lassen und um beim Zuschauer einen wie ich hoffe umso größeren Überraschungseffekt zu erzielen. Sowohl Charlotte als auch ihr türkisch-deutscher Kollege Aslan kämpfen mit ihren Urteilen und Vorurteilen, die sie beide blind für bestimmte Wahrheiten halten. Gerade dies fand ich reizvoll. Xenophobie ist in Deutschland immer noch ein großes Thema, obwohl mittlerweile selbst die CDU anerkennt, dass wir ein Einwanderungsland sind.“

Es bleibt abzuwarten, ob eine Deeskalation in dem konkreten Streit bald möglich wird.

Rechtsanwalt Siegfried Exner, Kiel

Hintergrund:

§ 130 StGB [Volksverhetzung]

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1. Schriften (§ 11 Abs. 3), die zum Haß gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, daß Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden,
a) verbreitet,
b) öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht,
c) einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht oder
d) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Buchstaben a bis c zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen, oder
2. eine Darbietung des in Nummer 1 bezeichneten Inhalts durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste verbreitet.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Absatz 2 gilt auch für Schriften (§ 11 Abs. 3) des in den Absätzen 3 und 4 bezeichneten Inhalts.

(6) […]


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